PA6.6 ist ein sehr steifes und wärmestabiles Polyamid, das vor allem im Bereich der Automotive zum Einsatz kommt. Bereits seit Anfang 2017 gibt es bei diesem Kunststoff Lieferprobleme, die sich seitdem dramatisch verschärft haben. Jens Strate erläutert, wie es zu dem Engpass kommen konnte, welche Folgen damit verbunden sind und wie die Firma Claus Groth darauf reagiert.
Was sind die Ursachen für die Lieferschwierigkeiten beim PA6.6?
PA6.6 kann ohne das Vorprodukt Hexamethylendiamin (HMD), einem Vorprodukt des Adiponitril (ADN) nicht hergestellt werden. Weltweit gibt es allerdings nur vier Großanlagen, die Adiponitril herstellen. Im günstigsten Fall, das heißt, wenn alle Anlagen problemlos laufen, ist die Versorgung mit PA6.6 gerade mal sicher gestellt – mehr aber auch nicht. Nun sind aber in der Vergangenheit zwei der vier Anlagen ausgefallen.
Zunächst legte eine Kältewelle in Nordamerika ADNAnlagen von November 2017 bis Ende Januar 2018 lahm. Und dann musste die ADN-Anlage in Frankreich heruntergefahren werden. Diese Anlage stellt ungefähr ein Drittel des Gesamtbedarfs her. Darüber hinaus gibt es seit dem 24. Januar Probleme in der HMD-Anlage im britischen Seal Sands. All dies hat zu den aktuellen dramatischen Engpässen geführt, die ein großes strukturelles Risiko in der Wertschöpfungskette deutlich machen.
Was bedeutet diese Situation für die Firma Claus Groth?
Ebenso wie alle anderen Hersteller, die mit PA6.6 arbeiten, sind wir von äußerst langen Lieferzeiten betroffen: Wir müssen teilweise 30 Wochen und länger auf unsere Bestellungen warten. Mit dem Engpass gehen zudem explosionsartige Preissteigerungen von mehr als 45 Prozent einher. Hinzu kommt, dass die Produktionsstätten von Adiponitril überdurchschnittlich ausgelastet sind und es durch die schwierige Versorgungslage zu Störungen in der Produktionsplanung kommt. Aus diesem Grund gibt es zurzeit nahezu bei allen Thermoplasten Versorgungsprobleme.
Haben Sie angesichts der aktuellen Krise überhaupt Chancen, den Wünschen Ihrer Kunden gerecht zu werden?
Wir haben bereits im April 2017 damit begonnen, unsere Bestellungen den neuen Lieferzeiten anzupassen. So haben wir Konsignationslager eingerichtet und Abrufaufträge für einige Compounds mit einer Laufzeit von bis zu 40 Wochen ausgesprochen – ohne dass dafür schon Kundenaufträge vorlagen. Außerdem beobachten wir den Kunststoffmarkt sehr intensiv und sind stets auf der Suche nach möglichen Alternativ-Werkstoffen, zu denen wir unseren Kunden raten können.
Existieren solche Alternativen denn auf dem Markt?
In der Tat! Bei bestimmten Produkten kann das PA6.6 durch ein PA6 substituiert werden. Der Hauptunterschied besteht in der Temperaturbeständigkeit und einigen mechanischen Eigenschaften – hier hat das PA6.6 eindeutig die Nase vorn. Jedoch gibt es Möglichkeiten, diesen Nachteil beispielsweise durch einen höheren Anteil an Glasfasern oder anderen Additiven zumindest zu minimieren.
Ist abzusehen, dass sich die Versorgungssituation mit PA6.6 in nächster Zukunft wieder bessert?
Leider sehen die Prognosen für die Verfügbarkeit von PA6.6 nicht besonders positiv aus. Denn bereits jetzt ist bekannt, dass die Produktionsanlage in Frankreich im Januar 2019 erneut vom Netz gehen muss, weil dort die Kapazitäten erweitern werden sollen. Heute geht man von etwa zwölf Wochen Ausfallzeit aus. Daher steht jetzt schon fest, dass es weiterhin eine Unterversorgung am Markt geben wird.